Jan Svenungsson

Borowski, Judith. "Kunststück! Was haben Sie dabei gedacht, Herr Svenungsson?", in: Financial Times Deutschland, 14.12.2007


“Meine erste ‘Handlungsanweisung’ habe ich 2003 für die Kunsthalle Wien gemacht. Die hatte damals eine Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern eingeladen, Schilder zu entwerfen, um diese in der Umgebung zu installieren. Ich wollte, dass meines eine deutliche und für jeden Betrachter relevante Aussage trägt. Und dass es gut aussieht natürlich auch. Das Ergebnis: sieben Worte, die zugleich eine meiner zentralen künstlerischen Anforderungen formulieren – ‘TRY TO DEFINE YOURSELF ZWISCHEN ZWEI SPRACHEN’. Ich zeichnete diese Worte, scannte und bearbeitete sie in Photoshop und schickte sie dem Schildermacher.

Spricht man heute von Weltsprache, so meint man Englisch. Morgen ist es vielleicht Mandarin. Für alle, deren Muttersprache nicht Englisch oder eben Mandarin ist, ist das ein Segen: Für uns ergibt sich die Möglichkeit, im Alltag zu erfahren, wie anders dieselben Gedanken und Überzeugungen in zwei uns verständlichen Sprachen klingen und aussehen. Ganz neue Fragen tauchen auf. Ist es möglich, dass ein- und derselbe Gedanke sich verändert, wenn man ihn von der einen in die andere Sprache übersetzt? Und wenn dem so ist: Wo ist der eigentliche Gedanke dann zu Hause? In einer der beiden Sprachen - oder irgendwo dazwischen? Ich glaube, dass Mehrsprachigkeit vor Fundamentalismus schützen kann, dass sie für Toleranz und Freiheit sorgt.

Mein Schild jedenfalls wurde produziert und an einen Laternenpfahl gehängt. Es war nicht sehr groß, und meine ursprünglich handgeschriebenen Worte mussten sich den spärlichen Platz mit dem Projekttitel und dem Namen des Veranstalters teilen. Optisch hat es mich nicht befriedigt. Für einen bildenden Künstler jedoch ist die Ästhetik eines Bildes, klar, das Wichtigste, selbst wenn wie hier das Motiv nur aus Worten besteht. Deshalb habe ich weiter über mein Textbild nachgedacht und neue Skizzen mit diesem Satz gezeichnet. Dann habe ich Kohle zum Zeichnen genommen und mein Lieblingspapier. Das Ergebnis: siehe links. Noch hängt die Papierarbeit in meinem Atelier. Ich betrachte sie gern, ohne sagen zu können, ob es vor allem die Aussage ist, die ich mag, oder ihr Aussehen. Ich glaube, es ist beides. Und etwas irgendwo dazwischen. Und genau da möchte auch ich sein."

Protokoll: Judith Borowski