Jan Svenungsson

excerpt from the Brandenburger Kunstverein press release,
written by Gerrit Gohlke


(...) Der in Schweden geborene und in Berlin lebende Künstler Jan Svenungsson versteht die interdisziplinäre Kooperation dabei als Aufforderung an die Kunst, ihrerseits Forschung zu betreiben und stellt dem Publikum mit seinen "Sprachverschmelzenden Mitteilungen" eine Neuentwicklung vor. In Kooperation mit Dirk Naguschewski vom Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin entsteht so ein eigenwilliger Vergleich zwischen Malerei und Sprachwissenschaft.

Jan Svenungsson: Sprachverschmelzende Mitteilungen

in Zusammenarbeit mit Dr. phil. Dirk Naguschewski
/ Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin

Dritter Teil des dreiteiligen Ausstellungsprojekts
Art + Science: Modell und Imagination
von Gerrit Gohlke

In einer globalisierten Welt ist die eigene Sprache nicht mehr nur ein Medium kultureller Vertrautheit mit bekannten Begriffen und Regeln. Sie wird auch zu einem Instrument der Vermittlung, wenn multinationale Karrieren oder Zuwanderungsbewegungen zu einer Vermischung sprachlicher Erfahrungen führen. Jan Svenungsson, in Lund geboren, mit dem Englischen vertraut, unter anderem in Frankreich ausgebildet und mit einer Deutschen verheiratet, ist selbst ein Beispiel für dieses Nebeneinander der Sprachen. So könnte man sein Projekt für den Brandenburgischen Kunstverein auch als einen Versuch der Vereinfachung verstehen. Schließlich werden in Svenungssons Ausstellung aus vier Sprachen scheinbar zwei. Auf je fünf großformatigen Gemälden werden die Ausgangssprachen Deutsch und Englisch sowie Schwedisch und Französisch zu nur noch zwei Kunstsprachen verschmolzen. Durch die geschickte Verbindung einzelner Wortbestandteile unterschiedlicher Herkunft entstehen dabei hybride Wörter, die sich aus der Perspektive jeder der beiden Ausgangssprachen lesen lassen. Svenungsson entwickelt zu diesem Zweck in seiner fünften Sprache, der Malerei, eine höchst subjektive Verknüpfung der Silben und Laute, bis das Publikum am Ende halb buchstabierend, halb lautmalend eine neu geschaffene Fusionssprache liest.

Mit diesem sprachwissenschaftlich kaum zu beschreibenden, weil nach persönlichem Gutdünken entstandenen Patchwork führt Svenungsson ein ebenso faszinierendes wie unterhaltsames Vexierspiel vor. Denn seine "Mitteilung", die sich über je fünf Tafeln erstreckt, bleibt allen auf der Leinwand verstreuten Worten zum Trotz Malerei. Der Betrachter kann ebenso gut zwischen den Buchstaben lesen, wenn es ihm um den Farbauftrag statt um Vokabeln geht. Zugleich werden die zehn Tafeln jedoch zum Exempel künstlerisch-autonomer Wissenschaft, die an allen disziplinären Grenzen vorbei ihren eigenmächtigen Entscheidungen folgt.

Kein Wunder also, dass Dirk Naguschewski, der seit langem in verschiedenen Kulturen die Vermischung unterschiedlicher Sprachen erforscht, auf Svenungssons visuelle Parallelwissenschaft mit einem Methoden-überblick antwortet. Seine Schaubilder, Definitionen und Lehrbuchfaksimiles stellen der Künstlerforschung nicht die "richtige" Wissenschaft gegenüber, sondern zeigen die Entwicklung von Thesen und Theorien in ihrer historischen Relativität. Bei Naguschewski wird Wissenschaft zu einer Auswahl der Perspektiven und Beschreibungsformen, so dass es fast zu einem Rollentausch kommt: Wissenschaft erscheint als relatives, vielperspektivisches Beschreibungsinstrument, Kunst als methodisch geschlossenes Modell.

Dabei bleibt es dem Publikum überlassen, ob es die nicht-reproduzierbaren malerischen Oberflächen als Ausbruch aus diesem wissenschaftlichen Rollenspiel deuten will oder ob es Svenungssons Sprachverschmelzungsprojekt als willkommenen Ausweg aus der Malereiautonomie versteht.