Jan Svenungsson

Text, in: Das gedruckte Museum von Pontus Hulten, Kunst– und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 1996


Als ich zum ersten Mal Pontus Hulten begegnete, kam ich mir sehr klein vor. Das war in Paris, in einem gigantischen, leeren Saal im Palais de Tokyo. Pontus und die übrige Leitung des Institut des Hautes Etudes en Arts Plastiques interviewten Bewerber für die erste Session des Instituts im Herbst 1988. An das Interview kann ich mich nicht erinnern, ich war viel zu nervös. Drei Monate später befand ich mich wieder im selben Saal – der mir jetzt viel freundlicher schien.

Ich entdeckte, daß das Institut trotz seines monumentalen Charakters ein Platz für intensive persönliche Begegnungen war. Pontus hatte die Vision einer Art Kloster, wo eine Gruppe von schöpferischen Geistern aus verschiedenen Generationen und kreativen Disziplinen sich unter zeitweiliger Isolation von der Umwelt begegnet mit dem Ziel einer gegenseitigen Herausforderung von Perspektiven und Gedanken. Das Symbol dieser Gemeinschaft war das gemeinsame Mittagessen, das alle – eingeladene Gäste, Lehrer und Schüler – zusammen um einen großen Tisch im Sitzungssal einnahmen, wo übrigens auch die Kunstbibliothek untergebracht war.

Während meiner Periode am Institut waren Pontus, Daniel Buren, Sarkis und Serge Fauchereau Lehrer, Schüler waren 20 junge Künstler. Das übergreifende Thema der Session war "Le Territoire de l'Art". Die Wahl von Themen und Gästen (Künstlern, Philosophen, Architekten, Schriftstellern) spiegelte die Kunstentwicklung dieses Jahrhunderts wider – wobei derjenige, der den Spiegel hielt, sehr deutlich zu erkennen war. Es gab den Willen, Einsichten über die Generationsgrenzen zu vermitteln.

Es war sowohl leicht als auch schwer, in dieser Umgebung Pontus nahezukommen. In einer Pause konnten wir schwedisch miteinander reden, und mir ist eine Art Schüchternheit aufgefallen, die für einen Schweden leicht zu erkennen ist. Aber Pontus konnte auch autoritär auf französisch sein, während seine feste Überzeugung und Sturheit in allen Sprachen gleich deutlich waren. Wenn etwas diskutiert wurde, kam immer Pontus persönliche Meinung deutlich zum Ausdruck. Seine Leidenschaft war nie zu verkennen.

Konstruktive Auseinandersetzungen entstanden. Diese waren für die Funktionsweise des Instituts nicht ohne Bedeutung. Als Schüler wurden wir fortwährend, sowohl theoretisch als auch konkret, mit großen Fragen und großen Künstlern konfrontiert, und wir mußten hart kämpfen, um uns selber nicht zu verlieren. Pontus kompromisslose Deutlichkeit wurde ein Pol, an dem wir uns zu definieren hatten. Nie früher und nie später habe ich mich so schnell entwickelt wie in diesen Monaten am Institut.

Danach stand ich bis 1993 in unregelmäßigem Kontakt mit Pontus, als ich eingeladen wurde, an der großen Ausstellung teilzunehmen, die er und das Institut in Taejon, Südkorea veranstalteten – im Rahmen einer Weltausstellung.

Mein erster Gedanke war, die Idee weiterzuverfolgen, die im Herbst 1992 dazu geführt hatte, daß ich das Moderna Museet in Stockholm mit einem 10 m hohen zusätzlichen Schornstein aus Ziegeln ausstattete. Ich kam aber zu dem Schluß, daß technische Probleme und finanzielle Beschränkungen ein ähnliches Bauprojekt in Taejon verhinderten. Statt dessen sandte ich die Beschreibung eines bescheideneren Projekts nach Paris. Nach einigen Wochen bekam ich einen Anruf von Pontus selbst; er murmelte etwas und sagte dann ganz klar: "Warum baust du nicht lieber einen Schornstein?" Ich war überrascht und überrumpelt, und sagte dann, daß ich in dem Falle unverzüglich nach Korea fahren müßte, um vor Ort die Lage zu untersuchen. Auf dem Weg dorthin wollte ich Pontus treffen, um mein Projekt zu besprechen.

Als wir uns aus diesem Anlaß einige Wochen später in Paris trafen, war Pontus offensichtlich darüber irritiert, in meine praktischen Fragestellungen verwickelt zu werden. Wir hatten doch eine gemeinsame Vision – es war selbstverständlich, daß die praktischen Probleme eine Lösung finden würden. Erst jetzt verstand ich das Ausmaß seines Vetrauens.

Also nahm ich meine Arbeit in Angriff, und nachdem ich mehr Schwierigkeiten überwunden hatte, als ich mir zu Beginn vorstellte, war meine Skulptur schließlich errichtet worden. Sie sah so selbstverständlich aus, als hätte sie da immer gestanden.

Jan Svenungsson
Übersetzung: Håkan Svenungsson)