Jan Svenungsson

"Stellen wir uns eine Zeitmaschine vor...", in: FAC ARTEM FORMA FUTURA, Universität für angewandte Kunst Wien, 2016


Stellen wir uns eine Zeitmaschine vor. Sie wird genutzt, um im Jahr 2016 einen Künstler oder eine Künstlerin aus der Chauvet-Höhle in Frankreich nach Wien zu bringen. Hier besucht unser Gast die Klasse für Grafik & Druckgrafik an der Angewandten. Es wird zu einigen kulturellen und kontextuellen Schwierigkeiten kommen, die überwunden werden müssen. Unsere KünstlerIn wird nie zuvor einer Stadt, einer Straße oder einem Gebäude begegnet sein, nie Brot oder ein anderes landwirtschaftes Produkt gegessen haben.

Die Sprache ist schwierig, klar, und Schrift ein absolutes Rätsel. Mit dem Zeichnen dagegen gibt es überhaupt kein Problem, es wird unsere Schnittstelle sein. Wenn die Maschine mit einem Universalübersetzer ausgestattet ist, kann ich mir sogar eine intensive Diskussion vorstellen, bei der wir uns über die ewigen Fragen austauschen: warum eine Zeichnung besser als die andere oder was der Zweck von Kunst ist. Denn wenn ich mich mit den Chauvet Arbeiten beschäftige, erkenne ich viele meiner eigenen Anliegen, was am Ende völlig unglaublich ist, da uns 30 000 Jahre trennen. Absolut alle kontextuellen Umstände haben sich in der Zwischenzeit natürlich verändert.  Und trotzdem – die Individuen, die in Chauvet Bilder auf die Wand zeichneten, haben mit der Zukunft kommuniziert.

Ich bin mir sicher, dass damals einige sehr konkrete Vorstellungen über das Wie und Warum von visuellem Ausdruck existierten. Darüber lässt sich allerdings nur spekulieren, und das ist gut so.

Auch heute geben wir Künstler und Künstlerinnen unser Bestes, das Hier und Jetzt relevant anzusprechen. Wir beschäftigen uns intensiv mit Ideen und Gefühlen, mit Themen und Diskussionen, die uns umgeben.

Als Künstler bemühe ich mich so gut wie möglich, Arbeiten zu schaffen, die Sie überzeugen werden, nachdem ich mich zunächst selber davon überzeugt habe, dass sie relevant sind – und nicht anders sein können. Wenn ein Kunstwerk mit dieser Ambition erfolgreich ist, könnte es die Welt verändern. Nur können wir nicht wissen wie und wann.

Zu dieser Ausstellung mit dem Namen "Fac artem, forma futura" (Mach Kunst, gestalte die Zukunft) habe ich acht Studierende meiner Klasse eingeladen. Einige von ihnen zeigen Arbeiten, die bereits existierten und die jetzt in diesem Kontext neue Bedeutungen erlangen, andere haben Neues für diesen Anlass produziert. Einige zeichnen und drucken, andere benutzen weitere Werkzeuge. In der Kunst sowie im Leben ist die Notwendigkeit, sich frei für seinen eigenen Weg entscheiden zu können, immer von zentraler Bedeutung.

Wir alle freuen uns über die Einladung im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ausstellen zu dürfen und über die Möglichkeit, mit Ihnen, die hier arbeiten und Zeit verbringen, unsere intensive Beschäftigung mit dem Hier und Jetzt zu teilen, um – hoffentlich – die Zukunft mitgestalten zu können.

Künstlerseiten:
In der grenzenlosen Auswahl an Möglichkeiten für das heutige Kunstmachen muss man selbst Rahmenbedingungen schaffen, um überhaupt etwas ausdrücken zu können. Vertiefung hängt von einem Spiel zwischen Freiheit und Einschränkung ab, wie in jeder Forschungsdisziplin. Jasmin Edelbrunner hat den Kreis als Werkzeug für ihre Entdeckungen gewählt.

Wenn uns eine Geschichte in Textform vermittelt wird, wissen wir, in welche Richtung sie läuft und können sowohl den Anfang als auch das Ende identifizieren. Was ist mit Erzählungen durch Bilder? Bedeutungen können auf eine ganz andere Weise aufeinander gestapelt werden und es ist nicht sicher, dass es einen Ausweg gibt. Wissen wir überhaupt, dass Julia Geissler etwas erzählen will, mit ihrem Bild, oder geht es um etwas ganz Anderes?

Stephan Genser bewegt sich mühelos zwischen Bildgestaltung in zwei sowie drei Dimensionen. Er arbeitet mit Reflexionen und Verdopplungen und nutzt sich gerne selber als Maßstab seiner Behauptungen, auch wenn er sich durch Puppen ersetzt. Wenn es um mich geht wird es interessant, weil ich das Werkzeug bin, um Dich zu erreichen.

Wie kann ich das Chaos in der Waage halten? Wie kann ich es nutzen und die Kraft kanalisieren, die in meinen Notizen wächst? Erzählen, nicht erzählen, verwirren, probieren, Anarchie geniessen, Ordnung schaffen. Tina Greisbergers explosive Skizzenbücher sind Werke in sich, und bilden einen Kontrast zu ihren größeren Arbeiten, bei denen der Sprengstoff unter eisigen Oberflächen steckt.

Wie erkennt die Malerin, dass ihr Bild fertig ist ? Ist es, wenn Schönheit erreicht ist oder das Gegenteil? Was in einem Bild zwingt mich zur Beschäftigung damit? Wie entsteht mein Dialog mit dem Kunstwerk?  Wie komme ich dorthin? Wie erreicht Magdalena Kreinecker diesen Spannungspunkt? Ist es besser, auf der Straße zu bleiben, als das Ziel erreichen?

Welche Verwantwortung hat der Künstler als politischer Mensch für das, was er um sich herum sieht? Wie kann er seine Werkzeuge benutzen, sodass mit der Arbeit etwas bewegt wird? Und was soll er am Ende sagen? António Neto bewegt sich endlos erfindungsreich an der Schwelle zwischen realistischer Poesie und imaginärer Realität. Es gibt am Ende so viele sprachliche Möglichkeiten für das Sprechen.

Urbanen Orten oder Innenräumen fügt Daniel Pfauth mit großer Zuversicht seine Bilder hinzu, da wo es möglich ist und wo kein anderer sich hingewagt hat.  Sind sie einmal da, entstehen neue Landschaften und neue Bedeutungen, für welche sowohl Bild als auch Umgebung in inhaltlichen Dialog treten.

Wie setze ich Tradition und Geschichte ein, sodass meine Spuren in der Gegenwart wahrnehmbar werden und gleichzeitig an die Zukunft gerichtet sind? Was Louis Szapary in seinen Arbeiten thematisiert ist nicht eindeutig das, was man in ihnen zu erkennen glaubt. Die Zeit ist ein Bogen und ein Künstler heute kann ausschließlich zeitgenössisch arbeiten.

Jan Svenungsson