Jan Svenungsson

Lind, Maria. "Jan Svenungsson", in: Port of Art, Kotka 1995



1. So hat er also wieder einen Schornstein gemacht, Jan Svenungsson. Voraussagbar. Als wäre er nicht imstande, die Finger von diesem sowohl belasteten - das industriell phallische ist nicht zu übersehen - als auch recht ausdruckslosen Gegenstand zu lassen. Dieses Mal gebaut in einer Grube auf einem verwahrlosten Grundstück in der finnischen Hafenstadt Kotka. Gemauert nach allen Regeln der Kunst - mit gerundeten Ziegeln - steht er vor dem Wohnhaus im skandinavischen Funktionalismus und hat einen obszönen Anflug.

2.a. Svenungssons Schornsteingeschichte hat ihren Ursprung im Jahre 1988, als er begann, einen Schornstein in Stockholm systematisch zu fotografieren, und zwar aus verschiedenen Winkeln und im unterschiedlichem Licht. Seitdem sind Schornsteine aller Art aufgetaucht: radiert, gezeichnet, gemalt, gemauert und gegossen. Der Schornstein ist Schauspieler in seinen Aufführungen - wie auch Charles Ray in seinen -, die das Thema behandeln, wie Sinn eher außerhalb als innerhalb des Objekts geschaffen wird, wie die "Wirklichkeit" vom Bild sowohl bedingt als auch bezwingt wird. Er kann in diesem Zusammenhang auch mit dem sprachwissenschaftlichen Terminus "shifter" verglichen werden, der seinen Sinn je nach Redner und Situation ändert.

2.b. Systeme wie diese tauchen in Svenungssons Kunst auf, um dann wieder zu verschwinden. Grundlage für ihr Entstehen sind der Ausstellungsplatz und die Fragen, die sich der Künstler stellt während der Arbeit mit dem Werk. Außer den Schornsteinen sei auch die Reihe von roten Fleckgemälden - Test - erwähnt, wo er sorgfältig zufällig ausgeführte Akvarellspritzer abgebildet hat, sowie die Serie von Zeichnungen, wo er eine Pressefotografie des russischen Extremisten Schirinowsky abzeichnet und danach diese Zeichnung abzeichnet usw., bis das System zusammenbricht. Gemeinsam für diese Systeme ist der Umstand, daß ihr Ursprung auf die eine oder die andere Weise mit zufälligen Gelegenheiten zusammenhängt - denen des Surrealismus nicht ganz unähnlich - und daß sie sich früher oder später selbst auffressen. In Svenungssons Kunst scheint der Wille zur Ordnung immer von der Lust zum Chaos überwunden zu werden.

2. c. Die Macht und die Probleme der Repräsentation - auch Machtprobleme - werden immer wieder in seinen Werken behandelt, jedoch eher aus praktischem als aus theoretischem Gesichtswinkel. Vom Abfotografieren anderer Bilder ist er dazu übergegangen, Objekte abzubilden, und schließlich Gegenstände zu schaffen in der einzigen Absicht, sie abzubilden und sie zum Bild zu machen. Aus diesem Grund ernennt er eine Fotografie des von ihm gebauten Schornsteins vor dem Moderna Museet auf Skeppsholmen in Stockholm in 1992 zu "der perfekten Fotografie". Aber die Attrappen bleiben Attrappen. Wahrscheinlich würde das große System implodieren und die Begierde würde ausgelöscht werden, wenn ein richtiger, rauchspeiende Schornstein gebaut wird.



3. Wenn sein Zweck ist, unsere "Wirklichkeit" zu schaffen - und zu verändern, dann ist es ihm gelungen. Jedenfalls bei mir. Ich kann nicht mehr einen hohen und schmalen Gegenstand sehen mit oder ohne Rauch -, ohne an Jan Svenungsson und seine fast manischen Erforschungen zu denken. Ich kann auch nicht aufhören, mir einen funktionierenden Schornstein mit seiner Unterschrift vorzustellen.

Maria Lind
Übersetzung Håkan Svenungsson