Jan Svenungsson

Kisters, Jürgen. “Endlich mal im Mittelpunkt stehen”,

in: Kölner Stadt-Anzeiger, 10.4.2008


Jan Svenungssons künstlerisches Universum ist weit verzweigt. Es besteht aus Schornsteinen, die er tatsächlich schon ohne jeden Nutzen in unterschiedlichen Umgebungen platziert, aus Stadtplänen und Marathonstrecken, malerischen Vogelperspektiven, Straßenfotografien und handgeschriebenen Texten über die Kunst und über das Leben.

Die Fotos, Zeichnungen, Textbilder, malerischen Arbeiten und eine Schornstein-Skulptur des Schweden (Jahrgang 1961) bei Werner Klein stehen unter dem Motto “Zwischen zwei Sprachen”. Seine Themen findet der Wahlberliner zwischen den Dingen. So ruft Svenungsson mit kräftigen Kohlenbuchstaben auf einer plakativen Zeichnung dazu auf: “Try to define yourself zwischen zwei Sprachen” – man möge sich also zwischen den Sprachen verorten, bestimmen, finden.

Und in zwei einander gegenüberstehenden Bleistift-Skizzen nimmt er den gleichen Ort eines Firmengeländes einmal ohne und einmal mit einer von ihm entworfenen Skulptur in den Blick. Erscheinen die Arbeiten in der kleinen Schau auf den ersten Eindruck zusammenhangslos wird rasch klar, dass “Orte und Sprache” von Bedeutung sind. Von 1986 bis 1999 hat sich Svenungsson mit dem einzigen Roman des italienischen Künstlers Giorgio de Chirico beschäftigt. Er übersetzte ihn ins Schwedische, reiste nach Volos, dem griechischen Geburtsort de Chiricos, machte dort Fotos und kombinierte diese mit der Übersetzung. Bruch, Verbindung, Übergang lautet die Lese-Anschauungs-Formel zu diesen Textbildern.

Eine andere künstlerische Ortserkundung führt auf einer Kohlezeichnung ins “Zentrum der Erde”. Um einen Kreis herum hat Svenungsson die Zahlen es Längen- und Breitengrads geschrieben, auf dem sich die Galerie befindet. Mehr als die Zahlenreihe ist die Leere des Kreises die Lücke in die die Phantasie hineinstößt. Rätselhaft-faszinierend ist die Orts-Perspektive aus der Vogelsicht in einer mehrteiligen wandgroßen Malerei in einem leuchtenden Abendsonnen-Rot. Sie entstand im letzten Jahr nach einem Aufenthalt des Künstlers in Australien, beeinflusst von der Aborigines-Malerei.

Das Mischen verschiedener kultureller Elemente folgt dabei nicht allein einem persönlichen Faible des Künstlers. Er will darin zugleich ein zukunftweisendes Prinzip zum Ausdruck bringen. Besonders prägnant zeigt sich das in zeichnerischen Textbildern, in denen Svenungsson die Wörter verschiedener Sprachen ineinander greifen lässt. Der Text ist auf diese Weises schwer zu lesen. Gleichzeitig schärft er die Konzentration so sehr, dass es mehr als sonst beim Lesen auf jedes einzelne Wort ankommt. Mit der Kunst wird seit langem der Anspruch verbunden, nicht nur auf der Höhe der Gegenwart zu sein, sondern auch die Sprache der Zukunft zu entwerfen. Svenungsson beharrt darauf, das die Kunst dieses Potenzial noch immer besitzt.

Jürgen Kisters