Jan Svenungsson

Fricke, Harald. "Russischer Blut - Kunst in Berlin jetzt: Jan Svenungsson, Knut Bayer, Katharina Hohmann", in:Tageszeitung, 8-9.6.1996


(...) Dafür wird es im Studio II konkret: Das Bild „96“ in der Mitte links vom Eingang kommt einem Teppich voller Nasenblutenspuren sehr nahe. Die Tropfen sind fein über die Leinwand gespritzt, das Rot sieht vertrocknet aus, ab und zu mischt sich ein wenig Schwarz dazu. Daneben dann eine sehr starke Blutung in Bordeaux, an deren Rändern sich schon ein gelber Vorhof gebildet hat; „89“ dagegen ist ein wie aus Innereien zusammengemanschtes All-Over à la Nitsch, und auf der nächsten Bildfläche sind heftig rotverschmierte Hände heruntergerutscht. Jan Svenungssons Humor bewegt sich zwischen Hitchcock und Pulp Fiction: Malerei als übertriebenes Abbild einer Realität, die selbst nur mehr aus Special effects besteht. Der Übergang vom manierierten Splatter zum illusionistischen Stilleben ist fließend. Aus der Nähe betrachtet sind die Gemälde ohnehin völlig gegenstandslos, ein Feld aus roten Tupfern. Erst die Phantasie macht ein Massaker daraus.

Die „Tests 88—108“ sind 20 durchnumerierte Variationen zu einem klassischen Thema: Wie stellt man Blut dar? Der 35jährige schwedische Gast im Künstlerhaus Bethanien hat mit dieser Serie von inzwischen 120 Bildern vor vier Jahren angefangen, als seine Frau einen schweren Unfall hatte. Doch die Biographie gehört nicht zum Inhalt, sie ist nur Zufall — und die Systematik hat auch kein Konzept. Svenungsson möchte seine Arbeit ohne große Vorkenntnisse verstanden wissen. Es reicht ihm, wenn sie Assoziationen auslöst, „über die man sich dann unterhalten kann“. Das ist höflich untertrieben, tatsächlich untersucht Svenungsson das Verhältnis von Kopie zum Original. Das aber steht im Katalog und also auf einem anderen Blau.
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Harald Fricke