Jan Svenungsson

"Der Wille zu Kontrolle trifft die Lust am Chaos"



I am interested in systems.
Systems are designed to lead to a desirable result.
When a system works it provides a sense of control and security.
If the system is improperly realised the result will deviate from the plan.

Sometimes I dream of creating a system so perfect that no deviation is possible.
This system I pursue beyond its limits.
In the breakdown anything can happen.

Den obenstehenden Text schrieb ich für den Ausstellungskatalog der Rauma Baltic Biennale in Finland im Sommer 1994, an der ich mich mit einer Installation beteiligte, die aus einem Photo samt 110 Zeichnungen aus schwarzer Tusche bestand. Das Thema der Ausstellung war "A Midsummer Night's Dream", und Kurator war Helena Demakova.

Die Photographie stellt den russischen Politiker Schirinowsky in einem nicht agitierenden Augenblick dar. Die Zeichnungen basieren auf dem Photo nach folgendem System: Die erste Zeichnung bildet das Photo ab, die zweite Zeichhnung bildet die erste Zeichnung ab (eine Linie nach der anderen), die dritte Zeichnung bildet die zweite Zeichnung ab, u.s.w, bis das Bild völlig aufgelöst ist, wobei die nächste Zeichnung die Photographie von neuem abbildet. Wie ich mich auch bemühte, der Vorlage jeder Zeichnung treu zu bleiben, entstand eine Verschiebung, die, wenn sie akkumuliert wird, zu einem Ergebnis führte, das außer meiner Kontrolle lag. Und eben das war zugleich meine Absicht. Ich hatte ein System aufgestellt, das einen unfehlbaren Operator zur Voraussetzung hatte, das jedoch aufgrund seines menschlichen Versagens unerbittlich zu seinem Gegenteil führte - zum Chaos.

Ich bin nicht Maler, Photograph oder Bildhauer. Ich bin ein Künstler, der mit Ideen arbeitet, die dadurch Gestalt annehmen, daß ich mich für Momente zum Maler, Photographen oder Bildhauer mache. Durch diese meine Arbeitsteilung entsteht eine innere Dynamik in dem Kunstwerk: die formale Präzisierung der Idee ist dabei nicht notwendigerweise mit der emotionalen Forderung der Ausführung zu vereinen, und umgekehrt.

Das erste Mal, daß ich von mir selbst als Zeichner Gebrauch machte, war Anfang des Jahres 1992, als ich gebeten wurde, mit einem "Insert" zu der philosophischen Zeitschrift KRIS beizutragen, deren Thema von einem neugeweckten Interesse für das Subjekt handelte. Dieser Auftrag mündet in einer Serie von zwanzig Seiten, auf denen ich vierzig Zeichnungen präsentierte, die alle an einem einzigen Tag ausgeführt waren und als Vorlage eine Photographie von meinem Vater hatte. Schon in dieser begrenzten Aufgabe entand eine Komplikation dadurch, daß ich ab und zu während der Arbeit die Konzentration verlor und beinahe resignierte, was übrigens dem Ergebnis anzusehen ist - und einen wichtigen Teil desselben ausmacht.

Seitdem habe ich bei noch einigen Gelegenheiten mit ähnlichen Projekten gearbeitet. Wichtig waren jedesmal die stenographishe Unmittelbarkeit der einzelnen Zeichnung, das rigide Verhältnis zur Vorlage und die beim Beginn aufgestellten Regeln, die Verstöße trots allem, der Zeitdrang und der Eindruck der allzu vielen Zeichnungen.

Die Wahl des Motivs fiel mir immer schwer. Bisher habe ich, mit Ausnahme von Schirinowsky, mich an Gesichter aus meiner unmittelbarer Nähe gehalten. Es ist notwendig, ein starkes Gefühl für das Photo zu hegen, damit der Zeichner imstande ist sich zu engagieren.

Ich habe eingesehen, daß derselbe Mechanismus, d.h. der Drang zur Wiederholung, der im Endeffekt einen Inhalt provozieren soll, der im Konflikt mit dem System entsteht, auch in einer Mehrheit meiner übrigen Werke latent anwesend ist. Ich habe die Hypothese aufgestellt, daß es sich um einen Konflikt zwischen "der Lust zum Chaos" und "dem Willen zur Kontrolle" handelt.

Diese Ideen durch Zeichnungen auszudrücken ist eine direkte Methode. Das visuelle Ergebnis ist deutlich, schlagkräftig und kann in verschiedener Größe präsentiert werden. Aber die Idee beschränkt sich keineswegs auf eine einzige Technik, und sie besitzt große Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist notwendig für mich tiefer in die Mechanismen einzudringen, die ich in Gang gesetzt habe, und deren Konsequenzen auszuforschen, z.B. mit folgenden Fragestellungen:

– Was bedeutet die Wahl des Motivs?
– Welcher ist der eigentliche Inhalt eines Werkes wie z.B. der Rauma-Installation?
– Wo verläuft die Grenze zwischen wirklicher und vorgetäuschter Besessenheit?
– Wie weit kann man sich als Künstler von sich selbst distanzieren, indem man sein eigenes schaffendes Ich als Versuchsperson handhabt?
– Welche Wirkung haben diese Projekte auf den Zuschauer?
– Politische Dimension?
– Was kann mit wirklich monumentaler Größe erzielt werden?

Jan Svenungsson
(translation by Håkan Svenungsson)